Episode 8: Zugführer (Logistik) Tobias

Shownotes

Tobias engagiert sich bei dem Technischen Hilfswerk in Celle als Ausbilder und bei Auslandseinsätzen. Als einer der Gewinner der Mitmachaktion "Dein Moment im Ehrenamt" erzählt er uns im Podcast über den prägendsten Moment, wie Auslandseinsätze ablaufen und wie er das mit seinem Leben vereinbart.

Um bestimmte Begriffe zu erläutern, finden sich im Transkript auch Fußnoten.

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Transkript Tobias Klose

Tobias:

Nadine: Hallo und herzlich willkommen bei Freiwillig Busy, dem Podcast übers Ehrenamt! Mein Name ist Nadine Hadad, und ich bin heute für das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe unterwegs. In dieser Folge begrüße ich Tobias Klose vom Technischen Hilfswerk in Celle. Gemeinsam wollen wir das Ehrenamt stärken und euch zeigen, dass jede und jeder einzelne sich mit den eigenen Fähigkeiten einbringen kann, denn: Egal was Du kannst, Du kannst helfen.! Hier sitzt mir Tobias gegenüber. Hallo Tobias.

Tobias: Hallo.

Nadine: Tobias, du bist einer der vier Preisträger in der Mitmachaktion „Mein Moment im Ehrenamt“. Welches Ehrenamt übst du aus? Was ist deine aktuelle Funktion, und welche Aufgaben sind damit verbunden?

Tobias: Also, ich bin beim THW, seit jetzt fast 21 Jahren, bin Zugführer der sogenannte, das heißt: Ich habe eine gewisse Gruppe unter mir, die ich zu delegieren habe, wo ich für die Ausbildung sorgen muss, die ich auch im Einsatz leiten muss - oder darf. Und das ist der Fachzug Logistik. Das heißt, alles, was im Background eines Einsatzes erfolgt, von Instandsetzung, Verpflegung, das ist dann als Führungskraft meine Aufgabe.

Nadine: Lass uns 21 Jahre zurückgehen. Du bist 21 Jahre ehrenamtlich tätig. Warum hast du angefangen, und wie hast du angefangen?

Tobias: Ich war damals Zeitsoldat, bzw. Sanitätssoldat in Foßberg. Zu der Zeit gab es einen etwas größeren Unfall bei uns in der Ecke. Das war der ICE-Unfall in Eschede, und da habe ich das THW zum ersten Mal wahrgenommen, und habe mir dann nach meiner Bundeswehrzeit überlegt, was kannst du machen? Möchtest du irgendwas in der Richtung weitermachen? Dann habe ich mir die Feuerwehr angeschaut, weil ich da auch bei mir im Ort einige kannte, das war mir aber da schon so ein bisschen zu stationär, zu statisch. Und wenn ich ein bisschen größer, ein bisschen weiterdenke: THW. Habe mich informiert, geguckt und dann bin ich da hingefahren, habe ein Bewerbungsgespräch geführt, unterschrieben, und seitdem bin ich quasi fast jeden Donnerstag seit 21 Jahren dort unterwegs.

Nadine: Du bist gelernter Heizungsbauer. Was hat dich dazu bewogen, neben diesem Job jetzt deine Tätigkeit auch auszuüben?

Tobias: Freizeit ist ja ein hohes Gut, und man überlegt dann, was Sinnvolles zu machen. Ich habe früher Fußball gespielt, mein Vater auch, alle haben Fußball gespielt. Ich hab’ dann relativ fix gemerkt: Das ist nichts für mich. Dann hat man geguckt, wie gesagt, was gibt es für Möglichkeiten? Die meisten fangen beim THW schon in der Jugend an, mit 10, 15, 16. Ich erst, wie gesagt, ziemlich spät nach meiner Bundeswehrzeit. Ich hatte die Lehre fertig, dann kam der Blick: Was kann ich Sinnvolles in meiner Freizeit einfach mal machen, und da hat sich das THW tatsächlich angeboten.

Nadine: Du hast dich ja mit einer besonderen Geschichte beworben. Kannst du uns nochmal erzählen, mit welcher Geschichte du dich beworben hast und warum sie für dich so besonders ist?

Tobias: Beworben habe ich mich mit der Geschichte aus meinem tatsächlich ersten Auslandseinsatz in Sierra Leone. In der Mitte des Einsatzes irgendwo hatten wir eine Aufgabe in einem Hospital, ein bisschen weiter außerhalb der nächstgrößeren Stadt, Makeni, den X-Ray, den Röntgenapparat zu prüfen und zu gucken, ist da noch was gangbar zu machen? Ich hatte Ersatzteile dabei, und man fährt erst mal ein, zwei Stunden dorthin, und beim Eintreffen ist unser Fahrer dann rückwärts eingeparkt, damit ich dann schön vernünftig ausladen kann. Und im gleichen Moment oder ziemlich zeitnah kam aus der direkt daneben anliegenden Ebola-Station eine Schwester raus und hatte so ein kleines weißes eingepacktes Bündel im Arm, was weggebracht wurde. Ich habe dann meinen Fahrer gefragt, was das jetzt ist, ob ich jetzt richtig liege mit meiner Vermutung, und das hat sich dann bestätigt, dass es tatsächlich ein Kind war, das die Nacht nicht überstanden hat aufgrund der Ebola-Erkrankung. Und da ist man dann schon erstmal so ein bisschen geschockt oder erst mal so ein bisschen ruhig, und man führt dann die Arbeit trotzdem durch, die man da irgendwo vorhat. Aber letztendlich beschäftigt das einen bis heute noch. Das ist jetzt nicht… sagen wir mal nicht negativ und nicht positiv, einfach so ein Part, der immer hängen geblieben ist. Das ist so eine kurze Sequenz, die dann in gewissen Situationen oder wenn man so ein Gespräch führt, dann wieder vorm geistigen Auge tatsächlich auftaucht.

Nadine: Es war wahrscheinlich auch für dich in dem Moment so krass, weil du mit sowas einfach noch nie konfrontiert warst.

Tobias: Also noch nie konfrontiert, ist nicht ganz richtig. Aufgrund meiner Arbeit als Sanitätssoldat hat man in ähnlicher Form schon mal was gesehen oder gehört: Videos, Bilder, auch vielleicht live und in Farbe, aber in diesem Kontext, dass man eigentlich da ist, um technische Hilfe zu leisten, irgendwas zu reparieren, wir haben ja nicht nur einen Röntgenapparat repariert, sondern auch Pumpen aufgebaut und eine Notstromversorgung gestellt, und da kommt man morgens total unbedarft daran, will was machen, und auf einmal sieht man sowas. Da wird man nach unten gezogen, dann wird man wieder so zurückgebracht in die Realität, was man für Aufgaben hat und was aber trotzdem nebenbei passiert. Ein Rettungssanitäter hat das vielleicht tagtäglich, aber für uns als Ehrenamtliche, die für den technischen Support im Ausland meistens zuständig sind, war das schon so ein kurzer Moment, einfach der… ja, wo man einfach wieder mal geerdet wurde, ich will jetzt nicht sagen Schockmoment, aber da hat man wieder mal kurz darüber nachgedacht und überlegt und musste erst einmal durchatmen.

Nadine: Für was für einen Einsatz warst du genau ins Sierra Leone?

Tobias: Sierra Leone war eine UN-Mission. Unter dem Kontext oder aufgrund der Ebola-Pandemie, und wir waren dort für den technischen Support, das heißt, die ganzen anderen Akteure, die weltweit dort auch in Sierra Leone aktiv waren, wie alle anderen Länder, die ihre Organisation dorthin geschickt haben, haben aber im Großteil immer nur medizinisches Personal. Nichts für Technik, nichts für Reparaturen, nichts für Facility, alles, was damit zusammenhängt, das ist dann unsere Aufgabe, vor allem dort, um wirklich dann in der Richtung alles zu unterstützen, zu supporten: Vom Aufbau einer Notstromversorgung, von der Wiederinstandsetzung von irgendwelchen Brunnenpumpen, von der Reparatur von einer Chlorid-Verteilung in einem Treatment Center. Also alles, was sich um Technik dreht, ist dann unsere Aufgabe, und das ist dann auch bekannt bei den anderen Organisationen, und wir werden dann vor Ort auch kontaktiert: Könnt ihr heute mal das machen, wir brauchen hier mal eure Unterstützung, da geht der Strom nicht. Oder wir haben neue Aggregate, die müssen mal verkabelt, verdrahtet werden, whatever, also alles, was wirklich im technischen Bereich aufläuft und gemacht werden muss.

Nadine: Wie kam es dazu, dass du dich für einen fünfwöchigen Einsatz in Sierra Leone entschieden hast? Hattest du da schon Kinder?

Tobias: Ja.

Nadine: Wie viele?

Tobias: Alle drei.

Nadine: Alle drei waren schon da, fünf Wochen weg?

Tobias: Letztendlich ist das, wie bei vielen nachfolgenden Missionen auch gewesen oder Einsätzen. Es kommt eine Abfrage: Wer kann, wer hat Interesse, wer passt vielleicht auch in den Aufgabenbereich, das dort umzusetzen. Dann kann man sein Zeitfenster, wo es möglich wäre, der THW Leitung mitteilen, und wenn alles andere auch passt, so vom Gesundheitszustand, von den Impfungen und, und, und, dann wird gesagt: ja, jetzt schicken wir dich dorthin. Das geschieht natürlich vorher in Absprache mit dem Arbeitgeber, mit der Familie, weil das ist jetzt nicht wie jetzt in Jordanien: Danebenstehen und ein bisschen Mentoring machen, auf Deutsch gesagt, sondern es ist tatsächlich eine hoch ansteckende Krankheit in Sierra Leone, und sehr weit weg. Man ist nicht mal schnell innerhalb der nächsten ein, zwei Stunden zu Hause, wenn irgendwas ist. Und wie gesagt, es waren fünf Wochen, wo man vielleicht abends mal die Möglichkeit hatte zu schreiben, also per Mobil, und dann irgendwie in Kontakt treten konnte. Ansonsten war fünf Wochen Ruhe, und es ist für beide Seiten schon herausfordernd. Aber meine Familie sagt mittlerweile: Es gibt so einen gewissen Modus, wo ich sage, ab jetzt ist Einsatz, und dann ist man auch ein bisschen anders unterwegs, gedanklich und kommunikativ.

Nadine: Und sag mal, konntest du dich davor schon gegen Ebola impfen lassen?

Tobias: Nein, nein, das Einzige, was es damals gab, war Malaria. Das heißt, wir mussten jeden Tag Malaria-Prophylaxe nehmen, also eine Tablette schlucken und jeden Morgen und jeden Abend Fieber messen und dann natürlich auch ganz, ganz wichtig, den Kontakt zu möglichen Infizierten meiden. Das ist bei uns auch ganz gut gelungen. Klar, logisch, weil im technischen Bereich ist man ja meistens im Background, und nicht vorne direkt irgendwie mit den Leuten in Kontakt, sondern eher so im Background. Aber dafür gab es im Vorfeld auch bei der Leitung so ein, zwei Tage, wo man auch mal richtig gelernt hat, Hände zu waschen. Seit diesem Einsatz wasche ich mir auch ganz anders die Hände als vorher. Das ist einfach so. Oder, wie man dann so einen Vollschutzanzug einfach mal im Notfall doch anlegt, wenn man zu nahe dran muss, wie auch immer. Aber darauf wurde ganz, ganz großen Wert gelegt, es hat auch geklappt, dass man den Abstand hält. Das ist so das Wichtigste, gerade bei dieser Art von Krankheit.

Nadine: Du hast wahrscheinlich alle Impfungen, die es gibt.

Tobias: Muss ich, nicht alle Impfungen auf der Welt, aber es gibt für Auslandskräfte beim THW die Impf-Matrix, das heißt, es gibt vorgeschriebene Impfungen, die müssen durchgeführt werden.

Nadine: Tropeninstitut ist wahrscheinlich dein zweites Zuhause.

Tobias: Zum Glück ist mein Hausarzt Tropenmediziner. Das heißt, ich muss einfach nur über die Straße gehen, das ist noch der Nachbar meiner Eltern. Den kenne ich. Insofern habe ich auch da einen Vorteil, aber man muss darauf achten, dass die auch tagesaktuell sind.

Nadine: Wie können wir uns das vorstellen, wie ihr dort vor Ort lebt?

Tobias: Das war so ein Zwischending. Es war kein Hotel, aber auch kein Zelt. Also, alles ist möglich. Das war quasi eine Ausbildungs-Pension…

Nadine: Jugendherberge?

Tobias: Ja, die wurden darauf ausgebildet, diese Pension zu betreiben, das heißt, von der Küche bis hin zum Zimmer reinigen, Zimmer bereitstellen, und da haben wir uns quasi eingemietet, um da eine feste Unterkunft zu haben, also mit vernünftigen Bett, vernünftigen Waschgelegenheiten und auch so einem Ort, wo man sich zurückziehen konnte, weil das ganz wichtig ist, dass man auch in so einem Einsatz, auch wenn man in einem kleinen Team fährt oder gerade wenn man in einem kleinen Team unterwegs ist, mit vier, fünf Leuten, dass man immer mal so einen Rückzugsort hat für sich selber, um mal runterzukommen, mal durchzuatmen und auch ruhig zu schlafen. Das ist ganz, ganz wichtig, und das haben wir halt dort genutzt.

Nadine: Ist die Prämisse von der Unterkunft immer die, Hauptsache nah am Einsatzort zu sein?

Tobias: Dafür gibt es verschiedene Aspekte, die betrachtet werden müssen. Einmal natürlich die Nähe zum Einsatz, einmal die Sicherheitslage, dann einmal die Versorgung drum herum: Ist Wasser da, ist Strom da, ist vielleicht das nächste Krankenhaus nahe dran, falls doch irgendwann was ist, und, und, und. Also ganz, ganz viele Aspekte, die da zum Tragen kommen. Es ist auch eine Kostenfrage, das muss ja auch meistens… oder bei manchen Projekten, Missionen, ganz normal wie im Hotel bezahlt werden.

Nadine: Vielleicht, um das nochmal kurz einzuordnen, weil das die Zuhörenden ja nicht wissen: Du bist wirklich gerade aus Jordanien gekommen, also gestern. Wann warst du in Sierra Leone? Vor wie vielen Jahren?

Tobias: 2018.

Nadine: 2018, genau dein erster Auslandseinsatz. Seitdem hattest du schon mehrere Auslandseinsätze. Zählst du die noch?

Tobias: Ich habe sie aufgeschrieben, weil ich für jeden Einsatz natürlich auch eine Datei anlege auf dem Rechner, um so ein paar Sachen wie Fotos, Einsatzbericht, etc. zu sortieren. Also ich bin jetzt bei 16, 17, 18 Einsätzen gewesen. Inklusive natürlich auch kleineren Übungen, die man mal macht, drei, vier Tage oder auch Projektarbeit wie im Irak die Ausbildung oder auch Missionen. Oder wie in Sierra Leone, in Kolumbien oder, in Rumänien die Übung. Dann war ich noch in Moldau, an der Botschaft kurz nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs und so… also ja, insgesamt 16, 17, 18 Mal.

Nadine: Vielleicht, um uns nochmal so ein bisschen Basiswissen mäßig mitzunehmen. Was ist der Unterschied, wenn du jetzt zum Beispiel Mentoring-mäßig als Auslandseinsatz in Jordanien bist oder auf einer Mission in Sierra Leone?

Tobias: Das ist dann so eine Art Projektarbeit. Das ist ein Projekt, was über mehrere Jahre läuft in den Ländern, und das begleitet man. Dann hat man auch einen gewissen Vorlauf. Zwei, drei, vier Monate kann man Einplanen. Dann sagt man sich: Okay, das Projekt ist jetzt die Ausbildung der dortigen Volunteers, der Ehrenamtlichen, der neuen Interessenten. Da weiß man, was auf einen zukommt, da kennt man die Agenda, dann kennt man den Ablauf, man kennt die Leute vor Ort auch schon, und dann gibt es die, die...

Nadine: Was machst du da? Was ist denn deine tägliche Arbeit da?

Tobias: Man ist tatsächlich als Trainer unterwegs, so wie hier in Deutschland, auch wenn wir neue Interessenten haben beim THW. Die müssen ja auch ausgebildet werden in den Grundlagen. Wie gehe ich mit einer Leiter um, wie gehe ich mit einem Generator um, wie mache ich Licht? Und genau das gleiche machen wir im Irak, in Tunesien und in Jordanien. Diese Länder wollen das so ein bisschen adaptieren, dieses Ehrenamtssystem, und da bin ich als Trainer unterwegs und versuche dann mit den dortigen hauptamtlichen Feuerwehr-Kräften so ein Ehrenamtssystem, Volunteers, aufzubauen, das heißt, vor Ort auszubilden, dass die dann im Falle einer Krise vor Ort unterstützen können.

Nadine: Es ist eine technische Ausbildung.

Tobias: Das ist eine technische Ausbildung.

Nadine: Braucht man eine technische Ausbildung vorab so wie du als Heizungsbauer, oder kann ich jetzt, die nicht so eine Ausbildung hat, sagen: Ich möchte ehrenamtlich tätig sein und dort dann vor Ort die Technik lernen?

Tobias: Also, ehrenamtlich tätig kann jeder sein beim THW. Das Auslandsgeschäft, das ist dann nochmal so eine Sache. Das dauert ein paar Jahre, sich darauf vorzubereiten, auch die Lehrgänge zu absolvieren, und natürlich braucht man für diese Traineraufgaben oder für die Ausbildung gewisse Skills, die jetzt vielleicht nicht jeder sofort mitbringt. Aber auch das ist so, dass beim THW jeder prinzipiell alles gelehrt bekommt. Das heißt auch, wenn du jetzt noch nicht irgendwelche Stiche, Bunde oder Knoten kannst, die wir als Grundlage auch haben, wird dir das beigebracht in der Grundausbildung, und dann kannst du das. Wenn du nach fünf, sechs, sieben Jahren so weit bist, dass du das im Schlaf kannst, dann bist du auch in der Lage. Oder dann könnte man dich als Auslands-Expertin dann fragen: Okay, wenn du dir das zutraust und das möchtest und Englischkenntnisse vorhanden sind, du keine Angst vorm Fliegen hast, dann könntest du das genauso machen.

Nadine: Okay, das heißt, ich habe verstanden, was du als Aufgabe hast, wenn du da ausbildest. Was bedeutet es für dich, als Heizungsbauer auf Mission zu sein?

Tobias: Mission ist so das Unbekannte. Man hat zwar einen groben Überblick, eine grobe Information, einzig, was auf einen zukommt, wie in Sierra Leone damals Ebola und technische Unterstützung oder wie in Kolumbien, Waffen von der entwaffneten FARC-Organisation kaputt zu machen. Da ergeben sich dann meistens die Aufgaben und die Arbeit erst im Laufe dieser Missionen. Was jetzt genau und wie, das ist so ein bisschen die Unbekannte. Und dann gibt es noch die Einsätze, wo wir dann in den entsprechenden Auslandseinheiten wie der SEEWA, wo ich auch bin, also Schnell-Einsatz-Einheit Wasser Ausland, das ist die Trinkwasseraufbereitung, wo man nach sechs bis acht Stunden, nach einem Erdbeben, Tsunami überall auf der Welt hingeflogen wird, um dort in den nächsten zwei, drei, vier, fünf, sechs Wochen als SEEWA Trinkwasser zu machen. Das sind dann Adhoc-Einsätze, wo man zwar weiß, ich kann Trinkwasser machen mit meiner Anlage, aber wo und in welchem Umfeld und welche Rohwasser-Quelle, ist absolut unbekannt.

Nadine: Hast du schon mal eine Trinkwasserversorgung gestellt?

Tobias: Im Ausland tatsächlich noch nicht. Das war mir zum Glück, weil es hat ja immer irgendwie eine größere Katastrophe als Hintergrund, noch nicht vergönnt. Ist auch gut so. Also, es wird aber regelmäßig geübt. Mit unserer Einheit trifft man sich drei, viermal im Jahr, um diese Skills, diesen Ablauf, diesen Flow drin zu haben, sodass im Einsatzfall wirklich alles glatt geht, und wie gesagt, man nach sechs bis acht Stunden im Flieger sitzt und überall hinfliegt.

Nadine: Für mich ist es wirklich so neu, und ich kann mir vorstellen, für viele Zuhörer und Zuhörerinnen auch. Das heißt, irgendwo ist auf der Welt ein Tsunami oder Erdbeben, und dann gibt es vor Ort kein Trinkwasser mehr. Und du oder jemand von deinen Kameraden oder Kameradinnen fliegt hin, um dort Trinkwasserversorgung irgendwie herzustellen, weil Wasser ist eine Grundlage, damit die Menschen nicht sterben, weil sie kein Wasser zur Verfügung haben.

Tobias: Richtig, und seit geraumer Zeit sorgen wir natürlich auch für die Abwasser-Ertüchtigung, weil das, was oben reingeht, muss ja auch unten raus, und das sollte natürlich so sein, dass es nicht wieder noch mehr Krankheiten und Seuchen irgendwo verursacht. Und das sind sogenannte „stehende Einheiten“, die dann in festen Teams oder mit festen Leuten oder einer fest zusammengebauten Anlage dort dann hinfliegen. Das heißt, die Materialien, die wir nutzen oder benötigen, die sind alle fest, die sind verpackt in großen Alu-Boxen, und die werden einfach nur dann ins Flugzeug geladen und mit uns irgendwo hingeflogen.

Nadine: Es klingt schon ein bisschen verrückt, dass du eigentlich gelernter Heizungsbauer bist und was du dann für Einsätze im Ausland zum Teil liefern musst. Du bist ja dann einfach ein komplettes Multitalent vor Ort.

Tobias: In solchen Situationen oder als sogenannter Auslands-Experte kann ich mich nicht nur auf mein Erlerntes versteifen. Das heißt, ich bin jetzt Heizungsbauer und kann jetzt nicht nur darauf warten, nur irgendwo vielleicht irgendwelche Heizungs- oder Trinkwasser-Rohre zu verlegen, zu verschweißen oder zu verkleben, sondern muss auch rechts und links gucken. Mittlerweile bin ich auch „Führungskraft Ausland“, das bedeutet, ein Team entsprechend zu führen vor Ort. Aber gerade bei so einer Trinkwasser-Anlage muss man auch ein bisschen schauen. Man muss sich mit der Chemie, mit der Chlordosierung so ein bisschen auskennen, dass das läuft. Man muss sich mit der ganzen Peripherie, mit der Trinkwasser-Auslieferung so ein bisschen auseinandersetzen und mit dem Aufbau. Mit allem, was dazugehört. Logistik muss man ein bisschen können. Man muss auch Geldstellen verwalten. Das heißt, man muss ein bisschen Financial-Ausbildung machen, dass man dann das Geld oder die Finanzen, die man vor Ort hat, die man auch einsetzen muss, teilweise um Sachen zu kaufen, entsprechend verwalten kann, denn das sind ja alles Steuergelder.

Nadine: Und einfach, dass du ins Sierra Leone ein Röntgengerät repariert hast, das ist ja auch voll der Erfolg. Also es macht dich wahrscheinlich auch super stolz dann in dem Moment und erfüllt dich, dass du einfach ein Röntgengerät reparierst, was dann wirklich gebraucht wird vor Ort. Ich kann mir vorstellen, da gibt es nicht tausende von Röntgengeräten und Krankenhäusern, und dann wird das Röntgengerät, das du repariert hast, wirklich benutzt.

Tobias: Richtig, und man wusste ja im Vorfeld nicht, bis ich dann an dem Tag gehört habe: Wir fahren heute dorthin, und du fährst dahin, pack dir mal Zeug ein. Da liegt das Material, der Röntgenapparat geht nicht mehr. Guck dir das mal an. Ich sagte: Ich kann es probieren, und dann hat das auch glücklicherweise funktioniert, hat aber ein bisschen gedauert, denn es war genauso warm wie hier.

Nadine: Wir sind gerade im Dachgeschoss, hier ist es warm.

Tobias: Tatsächlich wird dort geschwitzt, nicht nur wegen der Arbeit an sich, dass das klappt, sondern auch wegen der Umgebungstemperatur. Und wenn man dann mitbekommt, dass es danach funktioniert, auch wenn man weiß, dass im Umkreis von einigen 100 Kilometern, diese Apparate nicht gerade extrem stark gesät sind, sondern wirklich selten sind, da ist so etwas schon wichtig. Weil es ja nicht nur Ebola, sondern neben Ebola gab es ja auch die normalen Autounfälle, Stichverletzungen, Krankheiten, Grippe oder Knochenbrüche, und wenn ich da nicht vernünftig röntgen kann, ist das für manche Verletzungsbilder schwierig, diese zu erkennen.

Nadine: Du wirst doch nie wieder nur als normaler Heizungsbauer arbeiten können! Das geht ja nicht! Du hörst also diese ganzen Eindrücke, die du machst und was du jetzt alles erlebt. Aber du wirst es doch nie wieder einfach nur ausüben können, weil du einfach so viele andere Sachen jetzt auch machst.

Tobias: Ja, also, Heizungsbau habe ich mal gelernt, das mache ich schon in der praktischen Ausführung lange nicht mehr. Ich bin jetzt bei mir in der Firma auch seit 21 Jahren und dort als Trainer und Dozent tätig, um in dem Bereich regenerative Energien neue Leute heranzuführen und auszubilden. Aber auch da kommen mir diese Erfahrung dann zugute, weil ich auch jetzt mittlerweile Ausbildungen auf Englisch halte, was ich alles jetzt im Auslandsgeschäft verfestigt habe. Und davon kann auch mein Arbeitgeber profitieren.

Nadine: Wie oft bist du im Auslandseinsatz? Wie viel Arbeitest du ehrenamtlich hier in Deutschland? Wie machst du das?

Tobias: Im Ausland bin ich im Durchschnitt aufs ganze Jahr gerechnet vier bis fünf Wochen, immer so aufgeteilt in einwöchigen Einsatz, manchmal zwei. Dieses Jahr bin ich vier, fünf Mal weg. Es sind noch zwei, die vielleicht anstehen. Insgesamt investiere ich, ich kann's jetzt nicht genau ausrechnen, was jetzt in Deutschland ist und was im Ausland…liege ich da immer so zwischen 1000, 1500 Stunden im Jahr. Muss aber auch nicht sein. Die meisten sind dann einmal donnerstags bei uns. Da ist zum Beispiel bei uns Dienst. Das kann auch in kleineren Intervallen sein, aber wie gesagt, so vier bis fünf Wochen im Jahr sind schon drin.

Nadine: Wie genau kommt ein Auslandseinsatz auf dich zu? Hast du einen Pieper? Wirst du angerufen? Hast du immer einen gepackten Koffer und fährst dann direkt zum Flughafen? Wie läuft es ab?

Tobias: Ja, genau so, alles! – Nein, Quatsch! Also den Pieper hat man nur auf der örtlichen Seite. Wenn bei mir in Zelle, wo ich herkomme, was zu tun ist oder so eine Feuerwehr zu unterstützen ist, alles, was deutschlandweit oder auch weltweit läuft, ist in der Regel über E-Mail. Projektanfragen kommen per E-Mail. Dann kann man sich bewerben oder sich dafür irgendwo eintragen, anrufen. Und meistens, wenn es jetzt irgendwelche größeren Sachen sind, verfolgt man das ja schon in den Medien. Da gab es einen Tsunami, da gab es ein Erdbeben, die Regierung hat Hilfe angeboten. Dann kann man sich schon mal darauf vorbereiten, zu sagen: Okay, hier könnte was kommen. Und im Trinkwasserbereich, wo ich tätig bin, gibt es die sogenannten scharfen Teams. Das heißt, ich habe immer drei Monate im Jahr, wo ich weiß, wenn jetzt irgendwas kommt, sind wir als erstes draußen. Das heißt, in diesen drei Monaten sind 70, 80 Prozent einer Tasche immer gepackt. Und dann kriegt man vorher die Abfrage. In diesen drei Monaten sind wir ein „scharfes“ Team: Wann könnt ihr, wer kann wann? Dass man immer ein Team von Teamleadern, von Technical Experts zusammen hat, die sofort rausfliegen können. Also, da weiß ich: In drei Monaten, da könnte es passieren, und die restlichen sechs Monate im Jahr oder neun Monate, wo die anderen Teams dann entsprechend in Bereitschaft sind, dann weiß ich, dass ich im dritten, vierten oder fünften Team mit draußen bin.

Nadine: Gab es mal einen Moment, als du in einem scharfen Team warst, wo du direkt von der Arbeit los nach Hause bist und zu einem Einsatz?

Tobias: Nein, das war noch nicht so. Den Adhoc-Einsatz, wenn man es so nennen will, den hatte ich letztes Jahr irgendwann. Da ist ein Kamerad für ein begleitendes Projekt in Jordanien ausgefallen, und ich habe dann freitags den Anruf bekommen, ob ich nicht Samstag nach Jordanien fliegen kann, weil mein Einsatz für den Irak für die Woche aufgrund der Sicherheitslage gestrichen wurde. Das heißt, ich hatte sowieso Zeit und hab’ dann nur über den Schreibtisch rüber geguckt zu meinen Kollegen: Wie sieht es aus? Kann ich morgen nach Jordanien? Er hat nur kurz auf seinen Kalender geguckt, genickt, und dann war es das. Also das funktioniert. Ich war schon für Teams gesetzt, die nach Madagaskar oder sowas geflogen sind, um dort Trinkwasser zu machen, wurde dann aber zurückbeordert, quasi aus dem Team genommen, weil dann für Moldau dieser Einsatz für die Botschaft zur Unterstützung nach dem Einmarsch in der Ukraine anstand.

Nadine: Um auf deine Familie zu sprechen zu kommen. Wie kommunizierst du oder sprichst du mit ihr ab, wenn du zu einem Auslandseinsatz fahren möchtest?

Tobias: Also die Familie ist ganz, ganz wichtig. Der Arbeitgeber, wenn der einmal informiert ist, der akzeptiert das dann. Aber die Familie ist immer schon so das Nadelöhr, wo man einfach sagen muss: Information ist wichtig, also erst mal, wo es hingeht, was zu machen ist, und, und, und, aber mittlerweile ist es so: Das habe ich auch kommuniziert, und meine Kinder haben es jetzt auch verstanden, möchte ich mal sagen, dass überall dort, wo ich hinfliege, wo ich sage, das mache ich, da bin ich mir sicher, und da können sie auch sicher sein. Wenn Papa sich das überlegt hat, dann ist das auch relativ gut händelbar. Man kann nicht alle Möglichkeiten oder Gefahren völlig ausmerzen oder einschätzen. Aber das ist ja, wie gesagt, hier auch so. Tagtäglich kann was passieren. Das hat jetzt nichts unbedingt mit dem Land zu tun, wo man ist, natürlich ist das ein oder andere vielleicht reeller oder auch nicht. Aber solange ich sage: Ich fahre mit einem ruhigen Gewissen, machen sie sich zwar Gedanken und vermissen ihren Papa hoffentlich, aber der Kontakt ist ja mittlerweile auch gegeben. Durch Social Media, WhatsApp, durch alles Mögliche – Telefonate, kann man ja fast überall auf der Welt bis jetzt auch regelmäßig in Kontakt treten.

Nadine: Hast du ein Ritual, was du machst, bevor du auf einen Auslandseinsatz fährst, mit deiner Familie?

Tobias: Erst mal, dass wir uns treffen, auf alle Fälle ein, zwei Tage vorher, dass man nochmal Tschüss sagt, das definitiv. Aber das Ritual ist dann, wenn man zurückkommt, dass man sich trifft, Eis essen geht essen geht oder sonst irgendwas. Also diese Familienzusammenkünfte sind ganz, ganz wichtig.

Nadine: Würdest du sagen, ein sehr starkes, unterstützendes soziales Umfeld ist die Grundlage für die Arbeit?

Tobias: Ja. Ansonsten geht es nicht. Wenn irgendwas zu Hause nicht läuft, kann man ja nicht helfen, man ist ja nicht da. Das muss dann schon funktionieren. Und wenn man da schon so Zweifel hat, wenn ich jetzt fliege, könnte etwas passieren, dann kann man nicht mit freien Gedanken fliegen und kann sich nicht auf die Arbeit konzentrieren und es hängen ja dann auch andere davon ab. Wenn ich jetzt als Teamleader rüber fliege oder auch als Teammitglied, und ich habe irgendwelche Probleme oder ich kann mich nicht konzentrieren, das wirkt sich aufs ganze Team, auf den ganzen Einsatz aus. Man muss wirklich komplett zu Hause abschalten können. Es klingt vielleicht so ein bisschen, ich will nicht sagen egoistisch, aber wirklich, man muss sich frei machen können von dem alltäglichen Leben, was man geführt hat, und umswitchen, und das muss zu Hause laufen, und das geht nicht ohne 100 Prozent Rückhalt der Familie und der Freunde und so.

Nadine: Wie organisierst du dich mit deiner Arbeit und deinem Ehrenamt? Also weiß dein Arbeitgeber Bescheid? Musst du mit ihm alles absprechen? Wie läuft das ab?

Tobias: Absprechen muss man das auf alle Fälle. Es ist, wie gesagt, nach 21 Jahren, die ich jetzt dabei bin, ist es mittlerweile so, dass die Kollegen und Arbeitgeber schon Bescheid wissen, wenn irgendwas ist. Aber es ist halt, ich sage mal, ein Prozess, ein Weg dorthin. Am Anfang erstmal natürlich dem Arbeitgeber Bescheid geben, dass man beim THW oder bei ähnlichen Organisationen ist, am besten natürlich im Idealfall schon beim Bewerbungsgespräch. Dann gleich sagen: hier, ich habe das und das Hobby, und dann wohldosiert, um es mal vorsichtig zu sagen, natürlich jetzt nicht all das auf eine Kappe setzen und immer überall dabei sein. Es gibt bei uns beim THW auch die Möglichkeit, dass der Arbeitgeber besucht wird, auch von den Führungskräften oder von denen, die länger dabei sind, von den sogenannten Ortsbeauftragten, und der Arbeitgeber einfach auch nochmal eine genaue Erklärung bekommt: Wie läuft das ab mit dem Verdienstausfall? Wie läuft das ab mit der Freistellung? Dass auch der Arbeitgeber da sicher ist und nicht, dass er denkt, okay, jetzt ist mein Mitarbeiter weg und ich habe Arbeit hier, ich verdiene kein Geld und alles ist weg. Nein, da gibt es ja eine Absicherung, und das muss dem Arbeitgeber, auch die ganzen Wege, aufgezeigt werden, welche Möglichkeiten es gibt und was sinnvoll ist.

Nadine: Wenn du ausfällst für das Ehrenamt, wirst du trotzdem vom Arbeitgeber weiterbezahlt, aber der Arbeitgeber bekommt das Geld wieder, also der verliert das Geld nicht.

Tobias: Das heißt, ich kriege ganz normal meinen Lohn am Ende des Monats, da brauche ich mich nicht drum kümmern, und mein Arbeitgeber bekommt dann nach dem Einsatz den entsprechenden Schriftverkehr, wo er dann alles auszufüllen hat, und das geht dann entsprechend an die Leitung oder an die vorgesetzten Regionalstellen, Landesverband, was es alles gibt, und kriegt dann meinen finanziellen Ausfall, quasi erstattet von THW.

Nadine: Und wie ist es mit deinem personellen Ausfall? Also, ich stelle es mir so vor, dass, wenn du ein Teammitglied bist. Also wir gehen jetzt mal von dir noch vor ein paar Jahren aus. Nicht jetzt, wo das schon so gut geklärt ist. Fällt dann deine Arbeit auf deine Kollegen und Kolleginnen, die dann irgendwie genervt sind und doppelte Arbeit haben. Oder wie läuft es?

Tobias: Also in den ersten Jahren bei meinem Arbeitgeber war es auch etwas anders, etwas schwieriger. Da war ich im Service-Bereich tätig, im Support, am Telefon und auch unterwegs draußen, und wenn ich dann weggefallen bin, dann musste die Arbeit irgendjemand anders machen. Das ist aber jetzt schon so, dass das Auslandsgeschäft angefangen hat in einer Zeit, in der ich schon in anderen Unternehmensbereichen tätig war, das heißt als Trainer, als Dozent und nicht mehr in diesem Service Support. Weil, wenn man da wegfällt, ist es ein bisschen schwieriger. Wie du richtig sagst, die Kollegen müssen alles abfangen, also muss man mit den Kollegen oder Kolleginnen, mit denen man da zusammenarbeitet, tagtäglich auch Rücksprache halten, und die müssen sich dessen auch bewusst sein, und die müssen auch dahinterstehen, dass man da nicht Repressalien bekommt oder Gemecker. Das muss ja im Arbeitsklima in der Firma auch stimmen, dass man ein bisschen was erzählt, dass die Kollegen auch wissen, der ist jetzt nicht nur unterwegs und setzt sich irgendwo hin, auf Deutsch gesagt, sondern dass man auch mal mehr Informationen bekommt als das, was man vielleicht in den Nachrichten liest, wie zum Beispiel, Ahrtal oder sowas, dass man Hintergrundinformationen bekommt aus erster Hand, damit die ganzen Kolleginnen und Kollegen auch einfach wissen: Okay, das, und das wird gemacht, und das ist eine gute Sache!

Nadine: Also, ich glaube, es ist zusammenfassend also so: Offene Kommunikation ist so oder so wichtig, aber wahrscheinlich dann noch umso mehr, weil deine Kollegen und Kolleginnen dadurch ja auch wissen: Okay, er fällt aus, vielleicht muss ich ein bisschen mehr machen, aber du machst es ja für was Gutes. Du hilfst ja im Zweifel den Menschen oder uns allen, und dadurch ja: Okay, dann mache ich vielleicht die drei, vier E-Mails mehr oder die drei vier Anrufe mehr, weil dann arbeitet man als Team.

Tobias: Genau, und wenn ich jetzt neu bei einem Arbeitgeber vielleicht auch bin, dass man einfach das ein bisschen dosiert macht, nicht von Anfang an sagt: Okay, ich darf alles machen, der Arbeitgeber muss mich freistellen und das alles mit der Brechstange durchsetzen, sondern wirklich auch reden, sagen, hier: So und so sieht es aus, und es ist ja auch bei mir immer noch ein Ehrenamt. Und selbst wenn es dann in der Firma mal nicht passt, wenn ich sage: Okay, es ist ein wichtiger Termin, eine wichtige Schulung, irgendwas, habe ich immer die Möglichkeit und das Recht zu sagen, nein, ich kann nicht wegfliegen, es passt jetzt gerade nicht, selbst wenn es in einer Mission ist, wo ich jetzt innerhalb von sechs bis acht, oder 24 Stunden irgendwo Trinkwasser machen muss. Es kann ja sein, dass ich im zweiten, dritten, vierten Team mit rausfliege, aber jetzt passt es gerade nicht. Also diese Möglichkeit ist ja im Ehrenamt zum Glück immer gegeben, zu sagen: Okay, es geht einfach nicht!

Nadine: Wahrscheinlich ist es da auf der einen Seite umso wichtiger, dass die Arbeitgeber auch Verständnis dafür aufzeigen und auch unterstützen, und zum anderen, dass es aber auch mehr Ehrenamtliche gibt, dass, wenn du zum Beispiel mal nicht in den Einsatz fahren kannst, es genug Alternativen gibt von Kameraden und Kameradinnen, die dann vielleicht in dem Moment freigestellt werden und fahren können.

Tobias: Richtig, richtig! Das heißt, wenn man genug Personal im Backup Verfügung hat, wo die Auswahl auch dann möglich ist, dann kann man sagen, dann habe ich auch kein Problem oder muss mir keine Gedanken machen: Ich kann jetzt gerade nicht fliegen, jetzt funktioniert das nicht, sondern man hat einfach dann auch auf örtlicher Ebene Redundanz. Man hat genug Kameraden, die für einen einspringen, genau wie es andersrum wäre, wenn derjenige nicht kann.

Nadine: Du hast ja davor auch erzählt, dass es zum Teil auch intensive Auslandseinsätze bei dir gab, also wirklich die Mission dann. Nimmst du dir nach so Einsätzen auch ein bisschen Zeit für so Reflexionsphasen. Wie reflektierst du diese Einsätze? Holst du dir psychologische Betreuung?

Tobias: Also erstmal führe ich ich bei den neueren Einsätzen, also bei Projektarbeit, was man schon sechs, siebenmal gemacht hat, jetzt nicht mehr, immer so eine Art Einsatztagebuch für mich selber, dass ich auch in fünf, sechs Jahren noch nachlesen kann, was passiert ist. Jeden Tag wird ein bisschen was niedergeschrieben, und dann sollte man sich auch Rituale irgendwo aneignen. Es gibt Kollegen, Kameraden, die lesen noch ein Buch im Einsatz. Ich mache das immer so, das wissen sie dann auch schon, wenn wir an dem Abend zurückfahren in die Unterkunft, im Transportfahrzeug: Als erstes Kopfhörer rein, Musik an! Weil manchmal fährt man eine halbe Stunde/Stunde nochmal zurück zur Unterkunft, und ich höre dann Musik, und diese Rituale sind ganz, ganz wichtig. Ob das jetzt Lesen ist, Musik, Tagebuch schreiben, irgendwas, das gehört dazu.

Nadine: Würdest du sagen, dass die Einsätze generell dich auch als Mensch verändert haben?

Tobias: Von sich selber irgendwas zu sagen, ist immer schwierig. Ich bin der Meinung, ja, wie gesagt, man ist ruhiger, geerdeter, man sieht viele Sachen anders, wo vielleicht der eine oder andere eher hektisch wird im Alltag, auch im THW-Alltag innerhalb des Dienstes, wo ich sage: Einmal durchatmen, es gibt Schlimmeres, und das gibt es tatsächlich, wo man einfach sagt, das hat sehr, sehr viel mit mir gemacht und auch, wie gesagt, die Sichtweisen. Ich hab’, so ein Lieblingszitat, was ich den Leuten auch sage, von Alexander von Humboldt, von dem gibt's so ein schönes Zitat: „Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung derer, die die Welt nie angeschaut haben.“ Das heißt wirklich, ich kann mir das nicht aus Social Media oder aus Zeitschriften irgendwo holen. Ich muss die Erfahrung, wenn ich das möchte, um mitsprechen zu können, um urteilen zu können, von dort holen, und da habe ich sehr viel auch kulturell mitgenommen.

Nadine: Man sagt ja auch Reisen bildet, aber Reisen ist ja an sich auch super teuer. Das muss man sich auch leisten können. Das heißt, die Möglichkeit, auch mit dem Ehrenamt reisen zu können und ins Ausland zu gehen, ist natürlich auch eine Option für Menschen, die sich das vielleicht sonst auch gar nicht leisten könnten.

Tobias: Ja, tatsächlich, also, ich habe drei Kinder, die haben ja auch Ansprüche, und der normale Urlaub, wenn man das mal so sagen möchte, ist ja doch sehr teuer. Das ist einfach so. Egal, ob ich jetzt Auto fahre, fliege, mit dem Schiff fahre, irgendwas in der Richtung, dann überlegt man sich das schon, und aus dem Grund ist das jetzt für mich, wenn ich solche Missionen durchführe, ich will nicht sagen, Urlaub, das wäre der falsche Begriff. Aber es ist tatsächlich, um rauszukommen und wirklich mal was anderes zu sehen, und ich opfere, sag ich jetzt einfach mal so, auch Urlaub dafür. Normalerweise werde ich ja freigestellt von meiner Arbeit, vom Arbeitgeber, der muss mich dafür freistellen. Aber es ist aber immer ein Nehmen und Geben, das heißt, für gewisse Ausbildungen, für Lehrgänge oder auch für gewisse Missionen, die es ja auch schon gibt, habe ich mal eine Woche oder zwei Wochen Urlaub genommen. Das würde ich für mein anderes Hobby, wenn ich das ausführen würde, keine Ahnung, für ein Fußball-Camp, auch machen. Da würde ich auch für das Hobby Urlaub nehmen, so sehe ich das genauso: Es ist mein Hobby, in anderen Ländern auch was zu sehen. Es ist eine Mischung zwischen ein bisschen Urlaub, bisschen Weltanschauung, bisschen Einsatz und sowas alles, und wenn man da eine gute Balance hat, dann klappt das auch.

Nadine: Denkst du, du bist in zehn Jahren noch ehrenamtlich tätig?

Tobias: Also, wenn es gesundheitlich alles soweit läuft, dann auch sogar noch in 20 Jahren. Das THW hat oft kein Ende altersbedingt, das ist dann die eigene Gesundheit, die vielleicht dann irgendwann sagt: Stopp, aber generell in zehn Jahren mit Sicherheit noch!

Nadine: Wie alt bist du, wenn wir es hier sagen: 48. 58 bist du dann ja. Dann würdest du sagen, auch die Arbeit hält dich jünger und fitter.

Tobias: Also, jünger müssen andere beurteilen, fitter auf alle Fälle. Auch geistig fitter, weil man sich an so viele Situationen relativ fix anpassen muss und mitdenken und überlegen und wissen und, ich sag mal, improvisieren muss, oft genug, und da wird das Gehirn sehr oft sehr angestrengt.

Nadine: Wenn wir weit in die Zukunft gucken, welchen Auslandseinsatz fändest du für dich persönlich nochmal richtig spannend oder berührend, oder was würdest du noch mal gerne machen?

Tobias: Um ehrlich zu sein, nur solche Sachen wie diese normalen Ausbildungen, das Ehrenamt an sich in die anderen Länder zu transportieren, weil alles andere, wenn ich sage, ich fliege jetzt einen Einsatz von jetzt auf gleich, ist immer irgendwas Größeres, was Doofes passiert, und das möchte ich eigentlich nicht. Also nicht, weil ich da nicht helfen will, sondern ich bin froh, wenn nichts zu tun ist in der Richtung, weil dann geht es allen gut. Ja!

Nadine: Ja, das bedeutet, wenn du irgendwohin musst, ist eine Katastrophe passiert, und du musst aushelfen und das wünschst du dir natürlich nicht.

Tobias: Richtig, eben, Türkei oder solche Sachen, dann ist irgendwas passiert, was Schreckliches, und das wollen wir ja nicht, und deswegen kann man eigentlich froh sein, wenn wir nur so Projektarbeit machen, wie dort ausbilden, irgendwie Hilfe zur Selbsthilfe leisten.

Tobias: Die Welt ist so groß, und offen. Da gibt's vielleicht noch genug zu tun.

Nadine: Welchen Rat würdest du Menschen geben, die überlegen, ein Ehrenamt zu übernehmen?

Tobias: Wirklich sich hinzusetzen, zu schauen, wie viel Zeit kann ich investieren, wann kann ich die Zeit investieren? Einmal im Monat, einmal in der Woche, einmal im Jahr? Das ist jetzt übertrieben. Dann wäre es vielleicht ein bisschen schwierig, dann muss ich schauen, was habe ich in meiner näheren Umgebung für Möglichkeiten? Das ist ja nicht nur das Ehrenamt oder irgendwie Organisationen wie DRK, Malteser, Feuerwehr, THW, es gibt ja auch Sportvereine, es gibt ja auch die Kleiderkammer, DRK, da kann man irgendwas machen, wo Hilfe benötigt wird. Das muss ja nicht immer so im großen Stil sein im Ausland, und dann einfach mal mit dieser Organisation Kontakt aufnehmen, mal reinschnuppern, mal mit Leuten sprechen, die das schon mehrere Jahre machen, und dann aber auch ganz klipp und klar sagen, wenn es doch nichts für mich ist, dann nicht. Aber nichts Erzwingen, also wirklich objektiv, mal Reinschnuppern, so machen wir das jetzt beim THW auch: Wir lassen Leute drei, vier, fünf Dienste mitlaufen, sprechen mit denen, einfach mal ausprobieren.

Nadine: Wie kann man denn deine beziehungsweise eure Arbeit verfolgen, wenn man das möchte oder wenn man dich jetzt gehört hat und sagt, ich möchte es genauso machen wie Tobias?

Tobias: Social Media. Ich glaube, jeder Ortsverband vom THW hat auch einen Facebook-Channel, wo man auch mal Informationen einsehen kann. Es gibt manche mit einer normalen Homepage, es gibt einen Instagram-Account, auch von der THW-Leitung, vom Landesverband, also von den untergeordneten oder übergeordneten Stellen, und bei X. Es gibt also so viele Social-Media-Kanäle, wo ich Informationen sammeln kann und wo ich auch Einsätze verfolgen kann.

Nadine: Vielen, vielen Dank für das spannende Gespräch und auch die Arbeit, die du leistest, sowohl im Inland als auch im Ausland.

Nadine: Wenn ihr noch mehr über das Ehrenamt hören oder sehen wollt, besucht uns doch einfach mal auf unserer Website, mit-dir-für-uns-alle.de. Dort findet ihr alle Podcast-Folgen. Ich habe mit ganz vielen spannenden Menschen gesprochen neben Tobias Gleichzeitig begegnet euch dort auch eine Menge anderer Content von und mit Ehrenamtlichen, und ihr habt die Gelegenheit, euch weitergehend zum Thema Ehrenamt zu informieren und herauszufinden, welches Ehrenamt vielleicht zu euch am besten passt. Über unsere interaktive Karte könnt ihr auch ganz leicht die Standorte der Organisationen in eurer Nähe finden. Denn: Egal was Du kannst, Du kannst helfen!

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